
unterstützt lernlog seit 2022 in seiner Funktion als
Lehrer am Ricarda-Huch-Gymnasium in Krefeld
Schüler*innen übernehmen durch lernlog mehr Verantwortung für ihr Lernen
Wie bist du mit lernlog gestartet?
Ich habe lernlog im Sommer 2022 zufällig auf Twitter entdeckt und habe dann den Kontakt zum lernlog-Team gesucht. Was ich brauchte zu dem Zeitpunkt, war ein Tool, irgendeine Art von Begleitung für offenere Lernformate. Ich hatte damals viel mit Moodle gearbeitet und brauchte etwas, um nachzuhalten, was machen die Schüler? Aber auch für die Schüler*innen ein Tool, um selbst zu planen. Es waren Sechstklässler, denen fiel das echt schwer – ich bin an einem Gymnasium und solche offenen Lernformate gibt es bei uns noch nicht wirklich. Zusammen mit einer Kollegin haben wir versucht, lernlog für uns einfach mal auszuprobieren. Da sind wir dann ziemlich schnell auf den Geschmack gekommen.
Was habt ihr probiert und wie ist der Stand jetzt?
Wir haben zum Beispiel einfach selbst entschieden, als einzelne Lehrkraft eine offene Lernzeit bei uns in Englisch zu machen, einmal pro Woche, und das mit lernlog zu begleiten. Wir haben außerdem eine Unterrichtsreihe umgemünzt in Richtung „Scrum“ – kein klassischer Scrum, aber in diese Richtung – und haben das mit lernlog begleitet. Das hat super funktioniert. Dann haben wir angefangen, anderen bei uns in der Schule davon zu erzählen und ich habe eine Mini-Fortbildung gegeben. Langsam breitet es sich aus. Jetzt sind innerhalb von vier Wochen fünf, sechs Leute dazugekommen, die es auch aktiv nutzen. Meine Vermutung ist, dass das jetzt mehr wird. Wir sind jetzt offiziell Entwicklerschule, aber haben lernlog – bewusst – nie offiziell top-down eingeführt.
Was habt ihr aus dieser Zeit mitgenommen?
Wir merken: lernlog als Tool zu benutzen, ist nicht komplex. Aber das Unterrichten zu verändern, wenn es diese Lernformate noch nicht gibt, ist die eigentliche Aufgabe, weil es nicht für den „klassischen“ Unterricht passt und dafür auch nicht gedacht ist. Das ist das, was uns ein bisschen schwergefallen ist am Anfang und auch einigen Kolleg*innen schwerfällt. Es ist ein Prozess, eine Umstellung. Aber jetzt kommen Kolleg*innen, die vor einem Jahr bei mir in der Fortbildung waren, und sagen: „Ich mache gerade etwas, dazu passt lernlog voll gut. Ich will das jetzt ausprobieren.“ lernlog ist dann super einsetzbar, wenn es zum Unterrichtsverständnis passt.
Ist das Teil einer größeren Transformation von Schule? Weil sich die Art und Weise, zu unterrichten, verändert?
Total, ja. Wir haben bei uns seit drei Jahren einen großen Schulentwicklungsprozess. Im ersten Jahr haben wir uns zum Beispiel erst einmal Zeit genommen, zu gucken, was uns an Themen interessiert: Wo geht es hin? Dann haben wir entschieden: Wir wollen eine Eins-zu-Eins-Ausstattung mit iPads. Die haben wir dann ein komplettes Jahr vorbereitet, in Absprache mit den Eltern, und haben uns dafür fünf pädagogische Tage genommen. Seit diesem Schuljahr sind wir nun konkret an drei Bausteinen: Lernzeit, Feedback und Lernumgebung – zu allen dreien passt lernlog sehr gut. Das zeigt, wie die Veränderung nach und nach passiert, aber in keinster Weise im Gleichschritt. Und das heißt auch nicht, dass alle bei lernlog landen werden.
Setzen unterschiedliche Kolleg*innen unterschiedliche Schwerpunkte mit lernlog?
Das glaube ich schon. In Französisch haben wir im letzten Schuljahr eine Lektüre in eine Art Wochenplanarbeit übersetzt und die mit lernlog begleitet. Wir haben andere Kolleg*innen in Mathe, die machen gerade ein alternatives Prüfungsformat: Kompetenztests. Die Schüler*innen können jede Stunde entscheiden: Bin ich jetzt an dem Punkt, an dem ich diese Kompetenz gut genug kann, das teste ich jetzt am Ende und sie dürfen den Test so oft schreiben, bis sie es können und machen dann weiter. Dabei haben sie festgestellt: Perfekt, mit lernlog habe ich eine Begleitung dafür. Andere Kolleg*innen sind gerne projektbasiert unterwegs, da gab es auch schon Interesse. Wenn man ein Unterrichtsverständnis hat, das mit lernlog abdeckbar ist, kann man viele verschiedene Funktionen unterschiedlich nutzen. Wir haben bisher auch niemanden, der oder die sagen würde, wir nutzen alle Funktionen. Dafür ist das zu überwältigend.
Wie nehmen die Schüler*innen das an?
Die wenigsten Schüler*innen sind bei irgendeinem Tool jemals direkt überschwänglich, das ist halt Arbeit, das ist Schule. Ich sehe aber, dass viele Schüler*innen die Arbeit mit lernlog dann durchaus genießen. Zum Beispiel die jetzigen Achter in Französisch, die letztes Jahr lernlog gemacht haben, fanden das am Anfang auch nicht alle cool. Aber gestern waren sie total unkonzentriert, und ich habe meinen ganzen Plan über den Haufen geworfen. Anstatt die Vokabeln einzuüben, wie ich es geplant hatte, habe ich gesagt: Ihr habt jetzt 40 Minuten Zeit. Öffnet bitte lernlog, schreibt mir, was ihr vorhabt, wie ihr die Vokabeln jetzt lernen wollt und macht das. Dann war es eine deutlich angenehmere Stunde, weil sie sich darauf konzentrieren konnten.
Was ist der größte Mehrwert für dich und die Kolleg*innen, die damit arbeiten?
Ich spreche deutlich mehr mit Schüler*innen über das Lernen an sich. lernlog fordert das als Tool auch heraus. Aber dadurch, dass wir es haben und nutzen und ich darauf Zugriff habe, wann immer ich gucken möchte, die Schüler*innen es auch nie verlieren können und die Daten nie weg sind, weil jemand aus Versehen mal sein Logbuch hat liegen lassen und nicht mehr wiederfindet – dadurch können wir viel mehr darüber sprechen. Wir können auch sagen: Du hast dich jetzt in der Zeit darauf konzentriert und die Strategie verwendet, warum? Warum machst du es nicht so? Was gefällt dir daran gut? Was erhoffst du dir davon? Was hast du für Erfolge gesehen? Dadurch, dass ich dieses Tool habe, denke ich auch anders drüber nach und versuche, das auch viel regelmäßiger zu thematisieren. Mein Eindruck und der meiner Kollegin, mit der ich viel im Tandem arbeite, ist, dass wir das Lernen und die eigene Beteiligung an diesem Prozess stärker in den Mittelpunkt gerückt haben, seitdem wir lernlog nutzen.
Hast du den Eindruck, dass du damit mehr Schüler erreichst?
Das ist unterschiedlich. Die fleißigen Schüler kommen damit ganz gut klar, die haben aber auch sonst mit dem Lernen nicht die Probleme. Ich habe manche Schüler*innen, die im Alltagsunterricht nicht so gut klarkommen, aber es ganz gut können, wenn sie die Zeit selbst einteilen können und dann nach und nach merken: Damit komme ich klar. Es ist selten, dass Schüler*innen es nach einem halben Jahr überhaupt nicht schaffen mit dem eigenen Lernen. Und du merkst: Sie entwickeln sich alle weiter. Ich habe Schüler*innen, die in Großgruppen und im Plenum oft überfordert sind. Für die ist das super. Bei anderen muss man es etwas mehr üben. Ich bin überrascht, wie wenig Schüler*innen das nicht gut machen, wenn sie die Freiheit haben. Das sind leider potenziell die Schüler*innen, die wir in unserem jetzigen Leistungssystem möglicherweise sowieso verlieren am Ende. Nichtsdestotrotz muss man natürlich auch sagen: Wer weiß, wie diese Person damit klarkommen würde, wenn wir das System weiter anlegen würden? In der achten Klasse nutzen wir – ich als Englisch- und Französisch-Lehrer, meine Mathe- und meine Deutsch-Kollegin – seit den Herbstferien alle lernlog in unterschiedlichsten Arten und Weisen: für das Prüfungsformat, die Lernzeit und das offene Lektüreprojekt. Wir hoffen, dass auch die Schüler*innen, die sonst nicht so kommen, davon gepackt werden.
Wie kann lernlog helfen, Zeit oder Ressourcen sparen?
Wenn dein Unterricht gerade (noch) nicht darauf aus ist, dass es offene Phasen gibt, dann ist diese Umdenkarbeit und Materialerstellung erst einmal anstrengend. Zum Beispiel unser Lektüreprojekt letztes Jahr, oder das Projekt meiner Kollegin, die hat ganz klassisch eine Buch-Unit in Englisch ersetzt. Den Lernplan erstellen im Voraus, für sechs Wochen Unterricht eigentlich alles fertig zu haben, ist ein großer Zeitaufwand. Aber wenn du es gemacht hast, hast du auf einmal ganz viele Ressourcen, genau diese Gespräche zu führen, die du sonst nie schaffst. Du schaffst dir damit schon etwas. Am Anfang, wenn du kein schulweites System hast, ist das ein Stück weit noch ein Kraftakt von Einzelpersonen. Ich glaube aber, dass da Entlassung kommen kann. Bei der Mini-Fortbildung haben wir darüber gesprochen und bei vielen Kolleg*innen war das ein Schalter: Wenn wir Lernzeiten und lernlog mehr etabliert haben, müssen wir uns nicht mehr so stressen, wenn wir morgens krank sind, uns doch noch an den Schreibtisch zu setzen, um irgendwelche Vertretungsaufgaben zu stellen. Wir können sagen: Ihr arbeitet an euren eigenen Zielen und Schwerpunkten weiter. Gleichzeitig glaube ich, dass sich manche Kolleg*innen damit mehr Stress machen, als sie machen müssten. Schüler*innen einfach mal den Auftrag zu geben: Ihr wisst, das sind die Themen, die wir gerade haben. Überlegt mal, was läuft gerade bei euch nicht so gut – oder schaut euch eure letzten Tests und Aufgaben an. Pickt euch eine Sache heraus und versucht, die einfach zu wiederholen, zu vertiefen, zu üben. Man muss nicht für alles immer in allen Stufen für jedes Thema Material bieten. Es ist legitim, zu sagen: Vokabeln – hier sind Karteikarten, ihr habt Goodnotes, ihr habt Videos, ihr habt alles, was ihr braucht. Macht das mal selbst.
Was sagst du Kolleg*innen, denen du lernlog empfiehlst – probier das mal aus, weil …?
Weil lernlog für mich noch einmal ein Riesenanstoß war, wirklich aktiv Unterrichtsformate zu ändern. Ich habe immer schon experimentiert und experimentiere auch weiter, aber durch lernlog bin ich viel offener geworden und weggekommen von traditionellen Phasierungen etc. Ich habe auch das Gefühl, dass meine Schüler*innen durch lernlog deutlich mehr Verantwortung für ihr Lernen übernehmen und auch mehr wissen: Worüber sprechen wir gerade? Was lernen wir gerade? Dieser ganze Prozess ist ihnen viel, viel, viel bewusster. Das ist für mich der größte Vorteil und die Möglichkeit, das Lernen zu üben und den Lernprozess zu begleiten. Dabei muss ich es mir nicht zur Aufgabe machen, jedes Ziel jedes Mal durchzugucken und Feedback zu geben. Aber ich kann es bei denen machen, bei denen ich es ich möchte – dann, wenn ich Zeit habe. Das ist eine realistische Herangehensweise, ohne dass ich mir zu viel Druck mache.
Wie sieht es auf der technischen Seite aus?
Wir haben eine elternfinanzierte Eins-zu-Eins-Ausstattung. Das ist ein Kraftakt. Es hieß neulich: Eventuell gibt es ab Januar schon Leasing-Verträge und dann kommt eine von der Stadt finanzierte Eins-zu-Eins-Ausstattung. Das hat uns sehr überrascht. Wir haben gegen viele Hürden kämpfen müssen und kämpfen immer noch. Es ist anstrengend. Wir geben allen, die es sich nicht leisten können oder sich verweigern ein Leihgerät. Darum kümmern wir uns. Wir müssen verschiedene Wege anbieten, wie man an ein iPad kommt. Jetzt habe ich gerade lernlog als App auf allen Geräten installiert. Wir haben das per Hand einzeln probiert und die Schüler*innen haben es super gefunden. Auch das ist banal, aber es erhöht die Akzeptanz im Standardalltag total: lernlog gibt es jetzt als App, mit einem Single-Sign-on über Teams. Den Teams-Login können fast alle Schüler*innen wirklich auswendig. Das heißt, sie haben nicht mehr so viele Passwortprobleme und sind über den Login mit Teams direkt drin. Es sind kleine Hürden, die aber im Alltag viel ausmachen, auch bei den Kolleg*innen. Wir sind auf einem guten Weg, es immer niedrigschwelliger zu machen.
Hat die Einführung von lernlog bei euch mit dem Thema Digitalisierung zu tun oder ist es eher ein pädagogisches Thema?
Beides. Alle, die auf Digitalisierung nicht gut zu sprechen sind, werden auch bei einem „digitalen Logbuch“ direkt abschalten. Das ist eine emotionale Reaktion, dagegen komme ich nicht an, aber das muss ich auch nicht. Ich habe das Glück, an einer Schule zu sein, an der wir nicht erst seit Corona über Digitalisierung sprechen. So haben die meisten Kolleg*innen mittlerweile nicht mehr das Gefühl: Ich muss in meinem Kopf eine Liste von 50 Apps haben, weil ich diese App dafür und diese App dafür brauche. Die Herangehensweise ist jetzt umgekehrt: Ich möchte gerne das im Unterricht machen – wie könnte ich es digital umsetzen? Wenn du an dem Punkt bist, ist es dir egal, dass es ein neues Tool ist, du denkst eher: Cool, dadurch habe ich die und die Vorteile gegenüber „dem Klassischen“.
Was bringt ihr als Schule in die Entwicklung von lernlog mit ein? Wünscht ihr euch bestimmte Funktionen für konkrete Situationen oder wie funktioniert das?
Das haben wir bisher wenig gemacht. Ich habe in letzter Zeit einzelne Tickets geschrieben, oft auch Kleinigkeiten. Wir sind im Gespräch über bestimmte Dinge, zum Beispiel würden wir uns Kompetenzraster wünschen, die man anlegen kann und die das für die Schüler*innen visualisieren. Ich verstehe, warum nicht alles von heute auf morgen umgesetzt werden kann, was eine Schule sagt. Aber ich weiß es zu schätzen, dass ich solche Fragen stellen kann. Zum Beispiel bei den Single-Sign-ons: Wir haben Teams, wir haben Microsoft, ich sehe die Funktion, bräuchte aber ein, zwei Infos von euch. Könnt ihr mir die liefern? Wir hatten zwei, drei Videokonferenzen, und jetzt funktioniert es. Im Gegenzug habe ich ein kurzes Video erstellt, wie ich das auf der Microsoft-Seite eingestellt habe, damit das anderen zur Verfügung steht. Das ist toll zu wissen, dass auf einen eingegangen wird. Das ist eine coole Sache. Das lernlog-Team bringt uns auch mit anderen Schulen zusammen, zum Beispiel zum Thema KI, um Erfahrungen zu teilen und auszutauschen. Letzten Donnerstag war ich in der Helios-Schule in Köln, eine andere Fraktion unserer Schule war in Gescher, um sich dort das Konzept anzugucken.
Was wird sich in Zukunft verändern am Lernen oder am Unterrichten?
Ich bin mir nicht so sicher. Gefühlt war KI auf einmal so ein Ding, das total für Wind sorgte. Aber fast alles, das zum Thema KI auf dem Markt ist, verfehlt das Lernen total. Lehrer*innen wird es angepriesen als Entlastung („Das hilft dir in der Unterrichtsvorbereitung“). Das kann ja ganz nett sein, aber es schreibt mir keine Stundenverläufe. Es sind echt schlechte Verlaufspläne, weil es nur mit Klischees und Oberfläche arbeitet und meine Schüler*innen nicht kennt. Ich arbeite selbst mit KI-Assistenten und finde, dass aktuell fast kaum Fortbildungen zu solchen Themen angeboten werden. Es gibt großartige Tools, aber vieles andere ist Schall und Rauch, weil oft keine Vision des Lernens dahintersteckt. Deswegen bin ich gespannt, was lernlog daraus macht.
Hast du einen Tipp für Kolleg*innen, auch an anderen Schulen, die mit lernlog starten wollen?
Ja! Lasst euch nicht erschlagen! Nehmt euch eine Funktion vor und benutzt diese Funktion. Denkt nicht darüber nach, Wochenrückblicke zu machen, wenn ihr gleichzeitig Ziele setzen und Lernzeiten begleiten wollt. Benutzt eine Funktion, und die erst einmal für ein paar Wochen. Dann könnt ihr überlegen, weiterzumachen. Es ist fatal, wenn man glaubt, dass man alles direkt benutzen muss. Wenn eine Schule Formate wie Lernberatung und Lernzeiten schon hat, ist es etwas anderes. Für eine Schule wie uns, die von den klassischen Formaten herkommt, ist es kein Ziel, von heute auf morgen alles umzusetzen. Das ist ein mehrjähriger Prozess. Aber es lohnt sich, sich mit neuen Optionen und Lernformaten zu befassen. lernlog bringt diese Formate in den Alltag.