Interview
Christoph Okpue

unterstützt lernlog seit 2019 in seiner Funktion als
Geschäftsführer der onto digital GmbH
Leiter der Softwareentwicklung von lernlog

Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass unsere Entwickler nicht nur als Programmierer, sondern an der Schnittstelle zu den User*innen und zu den Anforderungen unterwegs sind.

Wer ist onto digital und wie seid ihr mit lernlog zusammengekommen?
Wir sind ein Softwareunternehmen aus Bonn, das sich auf die partizipative Entwicklung innovativer digitaler Lösungen spezialisiert hat. Wir wollen durch verantwortungsvollen Technologieeinsatz eine gerechte, inklusive und nachhaltige Zukunft mitgestalten.

Die Zusammenarbeit mit lernlog entstand auf Initiative der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, die mit der Idee an uns herangetreten ist, ein digitales Tool für selbstgesteuertes Lernen zusammen mit Schulen zu entwickeln. Ganz am Anfang ging es erst einmal darum, auszuloten, ob so etwas überhaupt möglich wäre. Wir haben gemeinsam analysiert, welche technischen und methodischen Ansätze sinnvoll sind und wie ein solches System zusammen mit Schulen entwickelt werden kann.

lernlog wird in einem partizipativen Softwareentwicklungsprozess entwickelt. Welche konkreten Vorteile bringt dieser Ansatz für die Entwicklung von lernlog?
Der große Vorteil liegt darin, dass lernlog wirklich auf die Bedürfnisse der Schulen zugeschnitten wird. Wir entwickeln nicht ins Blaue hinein, sondern binden die Nutzer*innen von Anfang an in den Prozess ein. Schulen, Lehrkräfte, Schüler*innen haben kontinuierlich Einfluss darauf, welche Funktionen entstehen und wie sie umgesetzt werden. Dadurch entsteht eine Software, die sich organisch an die Praxis anpasst, statt dass Schulen sich an die Software anpassen müssen.

Gleichzeitig ermöglicht dieser Prozess, schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren. Wir arbeiten iterativ in monatlichen Sprints, sodass wir regelmäßig Feedback einholen, testen und anpassen und neue Versionen herausbringen können. Das erhöht nicht nur die Qualität des Produkts, sondern sorgt auch für Akzeptanz bei den Nutzer*innen, weil sie sehen, dass ihr Bedürfnisse ernst genommen werden.

Wie hat sich der Entwicklungsprozess von lernlog im Laufe der Zeit verändert und was habt ihr daraus gelernt?
Am Anfang sind wir mit etwa 5 Pilot-Schulen, die intensiv in die Entwicklung eingebunden waren, gestartet. Mittlerweile sind es über 20 sog. Entwicklerschulen. In den ersten Workshops ging es darum, grundlegende Anforderungen zu erfassen und den Kern der Anwendung zu definieren. Mit der Zeit wurde der Entwicklungsprozess immer strukturierter: Wir haben eine User Advisory Group gebildet, regelmäßige Entwicklungszyklen eingeführt und den Kreis der Beteiligten erweitert.

Eine wichtige Erkenntnis war, dass wir mit kleineren Gruppen gezielter an Themen und Funktionen arbeiten können, als wenn zu viele gleichzeitig involviert sind. Während es am Anfang verlockend erschien, möglichst viele Perspektiven in jedem einzelnen Workshop zu versammeln, haben wir festgestellt, dass fokussierte Arbeitsgruppen effizienter sind.

Zusammenfassend hat sich unser Entwicklungsprozess von einer breiten, explorativen Phase hin zu einer gezielten, iterativen Erweiterung und Optimierung gewandelt. Wir arbeiten heute strukturierter und mit stärkerem Blick darauf, welche Gruppen zu welchem Zeitpunkt am besten einbezogen werden.

Wie habt ihr die Schulen aktiv in die Entwicklung integriert?

Zusammen mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft bzw. der lernlog gGmbH haben wir über 60 Workshops mit Lehrkräften, Schüler*innen, Schulleitungen und weiteren schulischen Akteurinnen durchgeführt – in ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen. Unser Ansatz ist ein ganzheitlicher, ko-kreativer Entwicklungsprozess: Wir entwickeln lernlog nicht für die Schulen, sondern mit ihnen.

Transparenz und Feedback sind dabei essenziell. Schulen sind nicht nur Testumgebungen, sondern aktive Mitgestalterinnen. In Visions- und Entwicklungsworkshops wurden Ideen gesammelt, Anforderungen skizziert und Prototypen getestet. Kinderworkshops halfen, die Bedürfnisse der Schülerinnen direkt zu verstehen. In Usability- und Praxistests wurde geprüft, ob Funktionen im Schulalltag wirklich praktikabel sind. Hackathons ermöglichten es, neue Ansätze in kurzer Zeit auszuprobieren. Hospitationen gaben uns einen direkten Einblick in den Unterricht und halfen, lernlog noch besser an die Praxis anzupassen.

Wir haben viele engagierte Lehrkräfte, die ihre Ideen einbringen, und Schüler*innen sind nicht zu unterschätzen – sie wissen oft genau, was sie brauchen, damit das Tool für sie funktioniert. Diese enge Zusammenarbeit stellt sicher, dass lernlog praxisnah, verständlich und wirklich nützlich wird - und nicht an den Bedürfnissen derer vorbeigeht, die es täglich nutzen.

Wie sorgt ihr dafür, dass technische, pädagogische und gestalterische Anforderungen sinnvoll zusammengeführt werden?
Eine der größten Herausforderungen in einem solchen Projekt ist es, technische Möglichkeiten, pädagogische Konzepte und eine gute Nutzererfahrung so zusammenzubringen, dass sie sich sinnvoll ergänzen. Dabei spielt die lernlog gGmbH eine zentrale Rolle. Ihre pädagogische Expertise, der enge Draht zu den Schulen und die Moderation zwischen den verschiedenen Akteur*innen sind entscheidend, um Anforderungen aus der Praxis verständlich zu machen und mit den technischen Möglichkeiten abzugleichen.

Gleichzeitig achten wir darauf, dass technische und pädagogische Entwicklung nicht künstlich getrennt werden. Entwicklerinnen sind nicht nur für den Code zuständig, sondern nehmen aktiv an Workshops teil, hören Lehrkräften und Schülerinnen zu und verstehen so direkt, wie ihre Arbeit in der Praxis eingesetzt wird. Das sorgt dafür, dass Anforderungen nicht nur abstrakt übersetzt, sondern aus der konkreten Nutzungsperspektive heraus gedacht werden.

Die Verantwortung, immer wieder zu entscheiden, welche Prioritäten gesetzt werden und wie die verschiedenen Ebenen zusammengeführt werden, liegt bei der Product Ownerin. Sie behält den Überblick, vermittelt zwischen den Perspektiven und sorgt dafür, dass keine Seite überwiegt oder verloren geht. Im Entwicklungsprozess setzen wir auf einen ständigen Dialog, sodass lernlog sich organisch aus der Zusammenarbeit aller Beteiligten weiterentwickelt.

Was macht lernlog aus deiner Sicht einzigartig im Vergleich zu anderen Tools?
lernlog ist mehr als eine digitale Plattform, dahinter steckt eine Idee und eine Haltung. Es geht um Selbstorganisation, Eigenverantwortung und darum, Schule so zu gestalten, dass sie sich an den Bedürfnissen der Lernenden orientiert. lernlog soll nicht nur ein Werkzeug sein, sondern dazu beitragen, Schule als Raum für mehr Mitbestimmung und individuelle Entwicklung zu transformieren. Im weiteren Sinne geht es auch um demokratische Prinzipien: Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, ihren eigenen Lernprozess zu steuern und reflektierte Entscheidungen zu treffen.

Dabei unterscheidet sich lernlog von vielen anderen digitalen Lösungen. Es ist kein klassisches Lernmanagement-System, sondern ein Begleiter für selbstgesteuertes Lernen. Die Plattform hilft Schüler*innen, ihre Lernwege zu dokumentieren, sich Ziele zu setzen und ihren Fortschritt zu reflektieren. Sie orientiert sich an den realen Herausforderungen des Schulalltags und passt sich an unterschiedliche pädagogische Konzepte an.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass lernlog nicht kommerziell ausgerichtet ist. Das ermöglicht eine Entwicklung, die sich nicht an Marktzwängen oder Verkaufszahlen orientiert, sondern an dem, was Schulen wirklich brauchen. Gute Ideen können umgesetzt werden, ohne dass wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.

Das Besondere an lernlog ist wie oft betont der partizipative Entwicklungsprozess. Schulen sind von Anfang an aktiv beteiligt, sodass nicht eine fertige Lösung vorgesetzt wird, sondern eine Plattform entsteht, die sich aus der Praxis heraus entwickelt. Dieses Zusammenspiel aus Haltung, Offenheit und echter Mitgestaltung macht lernlog einzigartig.

Wie siehst du die Zukunft von lernlog?
Die nächsten Schritte drehen sich um Weiterentwicklung, Verbreitung und langfristige Verankerung in Schulen. lernlog ist eine solide Basis für selbstgesteuertes Lernen, aber eine Plattform wie diese ist nie wirklich „fertig“. Sie muss sich weiterentwickeln, um auf neue Bedürfnisse zu reagieren.

Ein zentrales Thema wird das Zusammenspiel mit anderen digitalen Werkzeugen sein. Viele Schulen nutzen bereits verschiedene Tools für Unterrichtsorganisation, Kollaboration oder Kommunikation. lernlog soll sich nahtlos in dieses Ökosystem einfügen, anstatt als isolierte Lösung zu funktionieren. Das bedeutet, dass Daten und Funktionen mit anderen Anwendungen verbunden werden können – sei es durch Schnittstellen zu Schulverwaltungssystemen, digitale Lernplattformen oder Analyse-Tools, die Lehrkräfte unterstützen.

Auch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz werden eine Rolle spielen, zum Beispiel um Lernberatung oder Reflexionsprozesse besser zu unterstützen. Gleichzeitig bleibt der Fokus auf dem Wesentlichen: lernlog soll weiterhin leicht verständlich und anpassbar bleiben, ohne Schulen mit zu viel Komplexität zu überfordern.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einbindung neuer Nutzergruppen. Bislang stand die Arbeit mit weiterführenden Schulen im Mittelpunkt, aber nun wird lernlog auch für Grundschulen, Oberstufe, Berufskollegs, außerschulische Bildung, individuelle Lernwege angepasst und eine größere Rolle spielen.

Die Zukunft von lernlog liegt aber nicht nur in der technischen Weiterentwicklung, sondern auch darin, Schule als Lernraum flexibler zu gestalten und neue Möglichkeiten für eigenverantwortliches Lernen zu eröffnen.