
unterstützt lernlog seit 2024 in seiner Funktion als
Leiter des Departments für Wirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg
Durch den Einsatz von digitalen Mitteln kann man ganz viel Positives bewirken.
Was genau macht ihr bei euch am Institut und was ist Gegenstand der Kooperation mit lernlog?
Mit unserem Mittelstand-Digital-Zentrum unterstützen wir für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung. Ein ganz zentraler Punkt ist dabei der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Wir machen keine Grundlagenforschung, sondern fokussieren uns darauf, mit dem, was technisch verfügbar ist, sehr pragmatisch zu Lösungen zu kommen. Dabei sehen wir immer wieder, dass Chatbots zwar hilfreich sind in einem Wissensbereich, der aus dem Internet ableitbar ist. Was Chatbots aber nicht können, ist, mit geheimhaltungsbedürftigen oder personenbezogenen Informationen zu arbeiten, die nicht über das Internet zugreifbar sind. Deshalb ist die Frage: Wie kann ich Chatbots einsetzen im Zusammenhang mit Informationen, die der Chatbot erst einmal nicht hat? Bei lernlog ist genau das der Fall. Auf der lernlog-Plattform stehen ganz viele Informationen über die Lernwege der Schülerinnen und Schüler, über Kommentare, die Lehrkräfte dazu gegeben haben. Eine spannende Datenbasis, auf der ein Chatbot aber erst einmal nicht arbeiten kann. Es sind personenbezogene Daten, die nach der Datenschutzgrundverordnung auch nicht einfach frei ins Internet in einen Chatbot reingegeben werden dürfen. Dafür erarbeiten wir aktuell eine Lösung, die es DSGVO-konform ermöglicht, Feedback aus den Arbeiten der Schülerinnen und Schüler abzuleiten und dadurch eine intensivere Betreuung zu ermöglichen. Anders formuliert: Die Lehrkräfte werden dabei unterstützt, die Rückmeldung der Schülerinnen und Schüler zu verarbeiten und zu beantworten.
Das heißt, die Feedback-Funktion in lernlog wird erweitert und das Feedback erleichtert?
Genau, das ist der erste Schritt. Es gibt bereits ganz viele Chatbots, die auch von Schülerinnen und Schülern benutzt werden, die zum Beispiel fachspezifisch helfen und das Beantworten von Matheaufgaben erleichtern. Das ist individuell sehr nützlich. Aber was diese Chatbots nicht haben, sind die Lernwege der Schülerinnen und Schüler, auch fächerübergreifend. Die Lehrkräfte schaffen es zeitlich kaum, sich mit allen anderen Lehrkräften über die Leistungen von Schüler*innen in den jeweiligen Fächern abzustimmen. Wenn zum Beispiel eine Schülerin in Physik super ist und in Mathe schlecht, kann es sehr hilfreich sein, diese Information zu haben und zu schauen, wie man dieser Schülerin helfen kann, in beiden Fächern gute Leistungen zu bringen. Ein Chatbot, der diese Informationen im Zugriff hat, kann solche Informationen an die Lehrkräfte weitergeben. Ein Folgeschritt, an dem wir arbeiten, ist es zu prüfen, ob Lehrplattformen wie beispielsweise itslearning oder Moodle zu integrieren sind. Dann haben wir zusätzlich auch noch die Arbeitsergebnisse der Schülerinnen und Schüler als Informationsquelle und können noch umfassender entlang der Lernwege der Schülerinnen und Schüler unterstützen.
Wie sieht ein typischer Ablauf mit dem Tool aus?
Ein einfaches Beispiel ist, dass die Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum Selbstreflexionen in lernlog hinterlegen. Ein Chatbot kann sich diese Selbstreflexionen anschauen und zum Beispiel feststellen, dass diese Selbstreflexion im Vergleich zum Lernerfolg zu positiv ist oder umgekehrt. Man kann Trends erkennen, man kann schauen, es wird schlechter, es wird besser. Das sind alles Punkte, die zu erkennen relativ viel Zeit erfordert. Ein Chatbot kann das zeitnah zur Kenntnis nehmen, Feedback geben und einer Lehrkraft auch punktuell einen Hinweis geben, wenn sie sich etwas anschauen muss. So wird die Zeit der Lehrenden viel effizienter genutzt, um dafür an den Stellen zu helfen, an denen die Unterstützung nötig ist.
Wie ist die Schnittstelle zu den Anwender*innen? Wie erleben sie das?
Idealerweise ändert sich erst einmal fast nichts. Die Chatbot-Integration sorgt dafür, dass Vorschläge unterbreitet werden. Eine Lehrkraft würde dann in der üblichen Oberfläche, auf der sie Feedback eingibt, einen Textvorschlag sehen. Der Chatbot würde dann auch sagen: „Ich habe die letzten X Lernreflexionen der Schülerin untersucht und auf dieser Basis ergibt sich folgendes Bild.“ Mit Kennzahlen kann man noch eine quantitative Komponente einfügen. Die Lehrkraft kann dann sagen: „Das ist nachvollziehbar“ oder „Ich möchte das noch einmal ändern“. Der Chatbot kann auch sagen, woher die Information kommt und auf Basis welcher Sätze er zu dieser Schlussfolgerung kommt.
Welchen Mehrwert haben die Anwender*innen, Lehrkräfte und Schüler*innen?
Es ermöglicht der Lehrkraft, viel enger an den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten, weil sie tatsächlich in der Lage ist, wirklich für alles, was die Schülerinnen und Schüler schreiben, ein Feedback zu geben. Das ist so bisher kaum möglich. Ich kann viel breiter erfassen, was die Schülerinnen und Schüler jeweils in lernlog ablegen und kann daraus Schlussfolgerung ableiten. Das ist eine große Arbeitserleichterung, weil ich auf viel breiterer Basis ein Feedback geben kann. Auf der anderen Seite kann ich Dinge erkennen, die für Lehrkräfte wahnsinnig schwer erkennbar sind. Wenn ich einen längerfristigen Trend habe, wenn ich mir die letzten 20 Selbstreflexionen im Kontext anschaue – wer kann das? Das ist fast unmöglich, das für einen längeren Zeitraum zu machen. Das kann ein Chatbot locker. Man kann einfach viel mehr Informationen zusammenfassen, kondensieren, Hinweise geben, wie sich etwas entwickelt und den oder die Schüler*in mehr in ihrer Gänze sehen. Letztlich fallen viele Routinetätigkeiten weg. Man könnte sagen, dass die Fähigkeiten der Lehrkraft, die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, viel fokussierter erfolgen kann. Die Schüler*innen profitieren dann vor allem durch eine individuellere Betreuung.
Was findest du an der Anwendung besonders spannend?
Zuerst einmal ist es ein besonders schönes Arbeitsgebiet, weil man sehr vielen Menschen damit helfen kann. Es ist eine sehr sinnvolle Arbeit. Und dann ist es auch technisch eine spannende Herausforderung, eine Lösung zu bauen, die einerseits datenschutzkonform ist und die personengezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler und auch der Lehrkräfte auf eine angemessene Weise schützt und die damit ermöglicht, auf einer ganz breiten Basis Feedback zu geben. In einem weiteren Schritt würden wir das natürlich gerne auch unseren Studierenden zugutekommen lassen.
Welche Rolle spielt der Datenschutz?
Die Auswirkungen von dem, was wir im Internet tun, sind vielen Menschen nicht präsent. Aber wir haben eine Verantwortung, sorgsam mit allen Daten umzugehen, auch ohne, dass die Menschen ein Bewusstsein für diese Probleme haben. Schülerinnen und Schüler schreiben in Aufsätzen oder Selbstreflexionen über ihre persönlichen Befindlichkeiten. Das gehört in keinster Weise ins Internet. Weil dieser Chatbot tatsächlich auf einem Rechner läuft, der dann auch bei lernlog steht, können wir sicherstellen, dass diese Daten auch nur dort verarbeitet werden und nicht ins Internet diffundieren. Wir haben gerade mit der Hamburger Stelle, die für die Datenschutzgrundverordnungskonformität zuständig ist, die entsprechenden Verträge fertigstellen können. Das ist uns sehr wichtig.
Wo steht ihr im Projekt aktuell und wie geht es weiter?
Wir sind dabei, die ersten prototypischen Anwendungen umzusetzen und die Selbstreflexion automatisiert durch einen Chatbot zu verarbeiten. Die Lehrkräfte sind involviert. Wir fragen, welche Features direkt nützlich und einsetzbar sind und gehen dann von dort aus weiter. Wir versuchen, einen schnellen Nutzen zu erreichen, nur dann werden solche Systeme auch gut angenommen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir den Nutzen von lernlog für die Lehrkräfte noch einmal stark erhöhen. Es gibt Lehrkräfte, die solche Systeme einsetzen und enorm viel Zeit investieren, um den Schülerinnen und Schülern zu helfen. Andere werden motiviert, weil es ihnen Arbeit erspart. Wir müssen die Lehrkräfte unterstützen, mit diesen neuen Möglichkeiten ohne Mehrarbeit effizient zu arbeiten. Wenn dieser erste Schritt erfolgreich abgeschlossen wird, dann ist die HAW sehr interessiert, auch in ihrem Mittelstand-Digital-Zentrum an diesem Thema weiterzuarbeiten.
Warum ist es aus deiner Perspektive wichtig, dass Schüler*innen heute anders (eigenständiger/digital) lernen?
Wir stehen durch die weitere Verbreitung von künstlicher Intelligenz vor einer wahnsinnig großen Veränderung in der Arbeitswelt. Es sind dann ganz andere Kompetenzen erforderlich als die Kompetenzen, mit denen wir die Menschen jetzt aus der Ausbildung entlassen. Das gilt nicht nur für Schulen, sondern genauso für Hochschulen. Es sind neue Fähigkeiten gefordert, und die Schülerinnen und Schüler müssen lernen, in einer Welt, in der künstliche Intelligenz überall verfügbar ist, in Wirtschaftsprozessen oder in gesellschaftlichen Prozessen handlungsfähig zu sein. Dafür ist das Auswendiglernen von Fakten zum Beispiel wenig hilfreich. Die höheren kognitiven Fähigkeiten in der Lernpyramide, das kritische Hinterfragen von Inhalten, wird aus meiner Sicht noch wichtiger, als es das ohnehin schon ist. Da müssen sich Schule und Hochschule stark verändern, um Menschen fit zu machen, die danach 30 oder 40 Jahre in einer solchen Arbeitswelt verbringen.
Welche Potenziale siehst du in KI für die Zukunft (des Lernens)?
Es ist wichtig, von der Fächerfokussierung wegzukommen und zu vermitteln, wofür man das eigentlich macht: Was sind die Fähigkeiten, die für ein Leben in der Zukunft wichtig sein werden? So etwas wie die Fähigkeit, Probleme zu lösen, mit Hilfe von digitalen und nicht digitalen Mitteln, zu schauen, wie funktionieren Unternehmen, wie funktionieren Behörden? Wie funktioniert soziales Zusammenleben? Was sind die wesentlichen Faktoren? Die übergreifende Fähigkeit, Problemlösungen zu finden, lernt man nicht in einzelnen Fächern. Auch bei uns an der Hochschule. Wir können viel mehr Erfolge erzielen, wenn wir durch Formen wie projektorientiertes Lernen, forschungsorientiertes Lernen, anhand von realen Problemstellungen den Studierenden diese Kompetenzen beibringen. Wenn ich den Studierenden zeige, wie sie ein Problem in ihrem späteren Arbeitsfeld mithilfe eines Programms lösen können, dann wissen sie auch, wozu ist das gut, warum lerne ich das eigentlich? Das bleibt viel länger in den Köpfen hängen, als wenn ich für eine Klausur Fakten auswendig lerne.
Gibt es noch etwas, das du an dem Projekt mit lernlog besonders interessant findest?
Das, was wir im lernlog-Kontext machen, ist auch für Unternehmen hilfreich. Und ich finde die Hebelwirkung toll, dass wir ganz vielen Schülerinnen und Schülern und Lehrenden damit helfen können. Es gibt wenige Bereiche, mit denen jeder Mensch in Deutschland etwas zu tun hat. Die Schule gehört dazu. Durch den Einsatz von digitalen Mitteln kann man hier ganz viel Positives bewirken. Das müssen wir auch, denn wir können in der Lehre nicht einfach so weitermachen. Wir müssen etwas verändern, wenn die Fähigkeiten und Kompetenzen der Menschen, die wir aus dem Bildungssystem entlassen, zur späteren Arbeits- und Lebenswelt passen sollen.